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Philipp Kohlhöfer „Operation geplünderter Wald

Nominiert für den Deutschen Reporterpreis 2010.

Operation geplünderter Wald

Die Raubfäller im Regenwald glauben, man könne ihnen nichts nachweisen. Ihre Camps liegen tief im Dschungel, Polizisten und Zöllner sind bestochen, die Rechtslage ist verworren - und internationale Kunden profitieren davon. Doch die verdeckten Ermittler einer kleinen Naturschutzgruppe sind den Plünderern auf der Spur. Ein GEO-Team hat sie in Madagaskar begleitet


Philip Kohlhöfer, GEO 01.04.2010


Um eine glaubwürdige Legende aufzubauen, hatte der Mann uns zuvor gesagt, müsse man nah an der Wahrheit bleiben. Sonst laufe man Gefahr, sich zu verhaspeln. Und so versucht er am Anfang des Gesprächs, nur wenig zu lügen.

Es habe einige Zeit gedauert, sagt er seinem Gegenüber, bis er gewusst habe, was aus seinem Leben werden solle. Er mustert den Mann auf der anderen Seite des Schreibtisches, gibt sich entspannt, plaudert. Bei der US-Eliteeinheit Marines sei er gewesen, habe Soldat werden wollen. Vielleicht, um die Last seiner berühmten Familie abzuwerfen, die er manchmal als bedrückend empfinde.

So weit, so korrekt.

Auf einer Reise sei ihm dann klar geworden, dass er einen Beruf suche, in dem er der Natur nah sein könne. Und was gebe es natürlicheres als Bäume?

Der Erzähler trägt Lederschuhe und Anzughose, sein Hemd ist bis zum obersten Knopf zugeknöpft, und obwohl die Sonne mit tropischer Wucht vom Himmel brennt und die feuchtheiße Luft zwischen den mit dunklem Rosenholz getäfelten Wänden des Büroraums steht, schwitzt er nicht. Auch dann nicht, als er mit den Unwahrheiten beginnt: Seither handle er eben mit Holz. Er beliefere die Hersteller von Musikinstrumenten mit bester Qualität. Das sei es auch, was er in Madagaskar suche. Der Mann faltet die Hände vor dem Bauch wie zum Gebet. „Die beste Qualität.“

Wie war noch gleich Ihr Name, fragt sein Gegenüber.

Alexander von Bismarck, Biologe, 37 Jahre alt, Chef der Washingtoner Umweltschutzgruppe Environmental Investigation Agency (EIA), schiebt eine Visitenkarte über den Schreibtisch. Darauf steht: „Thomas C. Bolton, President. Nexis Trading.“

Der Fotograf Toby Smith und ich reden so wenig wie möglich. „Thomas C. Bolton“ hat uns dem madagassischen Geschäftsmann als seine Kunden vorgestellt, Gitarrenbauer, die mit ihm auf die Suche nach dem besten Material gegangen sind. Die Wahrheit: Wir begleiten Alexander von Bismarck bei seiner Undercover-Aktion und wollen verfolgen, wie er den illegalen Handel mit bedrohten Hölzern dokumentiert.

Bismarck dreht nun ebenfalls eine Visitenkarte seines Gegenübers zwischen den Fingern. „Roger Thunam“ steht darauf, „Vanillehändler.“ Vanille? Der mächtige Boss der Holzmafia in Nordmadagaskar lacht. Vor der Tür stehen zwei Leibwächter. Thunam fühlt sich sicher. Doch alles, was er sagt, wird gefilmt. Denn „Bolton“ trägt eine versteckte Kamera.

Roger Thunams Büro in Antalaha ist ein Zentrum für das größte illegale Geschäft des Landes. Thunam und seine Leute fällen und verkaufen Edelholz. Vor allem Rosenholz, ein Sammelbegriff für mehrere vom Aussterben bedrohte Arten aus der Gruppe der Palisanderhölzer. Und Ebenholz, hervorragend geeignet für den Bau von Musikinstrumenten. Von 103 Ebenholzarten gelten nur zwei als nicht bestandsgefährdet.

Roger Thunam verstößt mit seinen Geschäften seit Jahren gegen die Gesetze seines Landes. Schon im Jahr 2000 hat die Regierung von Madagaskar das Fällen von Rosenholz und Ebenholz in „sensiblen Zonen“ verboten; ohnehin kommen die Bäume längst fast nur noch in den Nationalparks vor. Doch seit dem Sturz des gewählten Präsidenten im März 2009 ist der korrupte Staatsapparat fast völlig zusammengebrochen. Auf Madagaskar wird so viel Holz gefällt wie nie zuvor. Oft wird es als Sturmbruchholz oder alter Lagerbestand deklariert, für deren Verkauf es begrenzte Ausnahmegenehmigungen gibt. Ein Nationalparkdirektor spricht vom „Drehtüreffekt“: Sobald Teile des alten Bestandes verkauft sind, füllen die Sägewerke die Lücken im Lager heimlich mit frisch geschlagenem Holz auf – und erklären dies dann erneut zum Altbestand.

Ein Bericht zweier internationaler Naturschutzorganisationen, der in Zusammenarbeit mit der madagassischen Forstbehörde erstellt wurde, sieht zudem Anzeichen für „geheime Absprachen zwischen Exporteuren und Strafverfolgern“. Umweltschützer um eine ehemalige hohe Mitarbeiterin des madagassischen Wirtschaftsministeriums haben Belege für erhebliche Schmiergeldzahlungen gesammelt. Inzwischen laufen Bestellungen für bedrohte Hölzer sogar im Lokalradio: Zwischen zwei Musiktiteln verkündet der Moderator, wer wie viel Rosenholz oder Ebenholz benötigt und wo es übergeben werden soll.

Roger Thunam beteiligt sich nicht an solch geringfügigem -Geschacher. Er hat eigene Holzfällertrupps, die er für seine internationalen Kunden in den Wald schickt. Zu befürchten hat er dabei wenig. Sobald die Stämme das Land verlassen haben, sind sie nach internationalem Recht „legal“, ganz gleich welchen Schutz sie in Madagaskar genießen. Denn im CITES-Abkommen, das den zwischenstaatlichen Handel mit Tieren und Pflanzen beschränkt, haben sich die 175 Unterzeichnerstaaten nur bei einer Handvoll Bäume auf einen übernationalen Schutzstatus einigen können. Nur 0,5 Prozent des weltweiten Holzmarktes sind von den Beschränkungen betroffen. Und nur zwei Holzarten auf der Liste, Mahagoni und Ramin, sind von kommerzieller Bedeutung. Ebenholz und Madagaskar-Rosenholz, obwohl unbestritten gefährdet, werden von CITES nicht berührt.

Die Abnehmer der Hölzer in Asien oder Europa machen sich nicht strafbar, wenn sie Besenstiele oder Gartenmöbel aus Rosen- oder Ebenholz herstellen. Naturschützer können sich zwar ärgern, wenn sie erfahren, dass gefährdete Arten eingeführt werden – eine Handhabe dagegen haben sie nicht. Allein Deutschland importiert jährlich sogenanntes Raubholz aus den Tropen im Wert von einer Milliarde Euro.

Hoffnung stiftet einzig ein US-amerikanisches Bundesgesetz, das seit 2008 in Kraft ist: Ein Zusatz zum „Lacey Act“ soll helfen, die letzten Primärwälder der Erde gegen die Gier der Händler zu verteidigen. Er verbietet in den USA den „Import, Export, Kauf, Verkauf, Transport, Erwerb und Zukauf“ von Holz oder Holzprodukten bis hin zu Papier, wenn das verwendete Holz in seinem Ursprungsland illegal gefällt wurde. So will der US-Gesetzgeber verhindern, dass illegales Holz einfach durch Export „gewaschen“ werden kann. Ein Schritt, zu dem sich kein anderer Staat hat durchringen können.

Nicht nur ein Verkäufer, der über die illegale Herkunft seiner Ware täuscht, auch ein Käufer, der sie ignoriert, kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden – ein revolutionäres Gesetz.

Es waren Alexander von Bismarck und seine Kollegen von der EIA, die dem Gesetz zum Durchbruch verhalfen. In jahrelanger Arbeit hatten sie eine Interessengemeinschaft geschmiedet: aus Umweltschützern, denen die Wälder am Herzen liegen, und aus Holzfirmen, Sägewerken, Industrievertretern, denen das illegal geschlagene Holz aus den Tropen die Preise verdirbt.

Weil Raubfäller keine Ausgaben für Wiederaufforstung haben und weil sie meist keine Arbeits- und Umweltschutzauflagen erfüllen, drücken die illegal gefällten Bäume den Weltmarktpreis für Holz um bis zu 16 Prozent.

Und weil illegaler Einschlag mit Korruption und Steuerhinterziehung einhergeht, schätzt die Weltbank allein den finanziellen Schaden auf 15 Milliarden Dollar jährlich. „Der Lacey Act“, sagt Bismarck, „ist der größte Naturschutzerfolg seit Jahren in den USA. Wenn er Wirkung zeigt, dann hat das Vorbildcharakter.“

Doch der Nachweis einer illegalen Herkunft von Holzprodukten ist schwierig. Deshalb hat der Lacey Act bislang in keinem Fall zur Anklage geführt – dabei stammen Schätzungen zufolge zehn Prozent des in die USA importierten Holzes aus illegalen Quellen (in Europa laut EU-Kommission sogar eher 20 Prozent).

Und genau deshalb ist Alexander von Bismarck nach Madagaskar gereist: Er will Beweise -suchen, Aussagen aufzeichnen, Fotos und GPS-Daten von Holzfällercamps sammeln, Frachtpapiere einsehen. Alles in einen Zusammenhang bringen, vom Regenwald in Madagaskar bis zu Kunden in den USA. Er will, dass nach dem Gesetz, für das er gekämpft hat, endlich jemand bestraft wird.

Das Büro des Edelholz-Dealers ist düster. Paneele und Parkett, Schnitzereien auf allen Regalen – überall ist so viel Holz, dass man das Gefühl hat, man sitze in einem Baumstamm. Neben dem Schreibtisch hängt ein Kalender, das Bild zeigt eine gotische Kirche irgendwo in Deutschland. „Theodor Nagel“ prangt in großen Buchstaben daneben. Darunter ist eine Weltkugel abgebildet und das Wort „Holz“ in fünf Sprachen.

Die Geschäftsbeziehung mit den Deutschen, sagt Thunam stolz, bestehe seit mehr als zehn Jahren. Für manche Edelhölzer habe man sogar eine Exklusiv-Vereinbarung getroffen.

Die Firma Nagel ist Großhändler im Hamburger Hafen. Im November 2009 bot sie als Sonderangebot „Madagaskar Palisander“ an, perfekt, um etwa das Griffbrett von Gitarren herzustellen. Unter ihren Kunden ist auch die amerikanische Gitarrenfirma Gibson – die, falls sie illegales Holz kauft, gegen den Lacey Act verstößt. Ebenso wie Nagels Vertreter in den USA. Nach Recherchen der EIA hat Thunam im März 2009 einen Container Ebenholz nach Hamburg geschickt. Der Holzhändler Nagel verkaufte madagassisches Ebenholz dann an Gibson weiter. Auf Nachfrage von GEO beteuert die Firma Nagel, alles von ihr importierte Holz sei legal. Exportpapiere und eine Konzession zum Einschlag außerhalb der Nationalparks habe man geprüft. Von dubiosen Machenschaften des langjährigen Partners wisse man nichts.

Ob sich andere Einkäufer auch so sehr für die Qualität von Thunams Hölzern interessieren, will von Bismarck alias Bolton wissen. Es gelingt ihm, unverfänglich zu klingen. Er ist geübt darin, wichtige Fragen unter einem Berg von Small Talk zu verstecken. „Der Kunde aus Hamburg“, sagt Thunam lächelnd und deutet auf den Kalender, „macht es genau wie Sie: Er war etliche Male hier, um sich alles anzuschauen.“

Roger Thunam bietet Wasser an, in Plastikflaschen aus dem Supermarkt. Ein Statussymbol, das ihn als einen Mann ausweist, der etwas zu sagen hat, hier in einer der ärmsten Regionen der Welt.

Neben dem deutschen Kalender hängen Urkunden des Staates für Roger Thunams Beitrag zur Wirtschaftsförderung, Bilder zeigen ihn mit den letzten drei Präsidenten Madagaskars. Einer hat ihn sogar zum Ritter geschlagen.

Erst am Tag zuvor ist Thunam aus Antananarivo, der Hauptstadt, zurückgekehrt. Seit dem Putsch gibt es dort neue Amtsträger, die er überzeugen muss, dass sein Geschäft Vorteile für alle bringt. In seiner Heimatstadt bezweifelt das ohnehin niemand. Als Thunam am Flughafen ankam, bildeten sich Menschentrauben, wo immer er stand. Man steckte ihm Zettel zu, Dankesschreiben von Menschen, denen er irgendetwas bezahlt oder einen Job vermittelt hat. Das Getränk an der Bar im Terminal bezahlte er nicht.

Thunam stützt seine Ellbogen auf dem Schreibtisch ab: „Für wie viel Dollar wollen Sie Ebenholz kaufen, Mr. Bolton?“

Vielleicht für 50 000, mal sehen“, sagt von Bismarck.

Kein Riesendeal. Aber Roger Thunam, obwohl reich, das halbe Dorf auf der Lohnliste, ein Haus in Frankreich, eines in China, die Kinder auf einem französischen Internat, dreht seinen Kopf, so, als könne er die Zahl noch einmal hören, wenn er seine Ohren nur nahe genug an die Lippen seines Gegenüber bringen könnte.

Er nickt. Natürlich dürfe sich Mr. Bolton im Lager umschauen, die Qualität begutachten, gleich hier, vor dem Büro. Nur ein paar Schritte entfernt liegen rund 6000 Edelholzstämme. Aber Holz in einem Hinterhof zu sehen, das nutzt Bismarck nichts. Er muss in den Nationalpark, um beweisen zu können, dass Thunam dort Holz schlagen lässt. Bismarck verweist auf uns, seine „Gitarrenbauer“, zuckt die Achseln. Das seien eben komische Typen, er lacht, die müssten die Qualität des Holzes am Baum sehen, wollten wissen, wo es wachse, wie es sich nass und trocken verhalte...

Thunam nickt. Das beste Holz, sagt er, wachse in den Bergen.

Im Masoala-Nationalpark?

Er windet sich. Er sei nur Händler, woher das Holz genau komme, sei ihm egal. Dann stockt er. Seine Miene verkrampft. Mit einem Ruck steht er auf. „Warum fragen Sie eigentlich so viel?“ Thunam spuckt den Satz mehr aus, als dass er ihn spricht. „Warum fällt mir das erst jetzt auf? Sind Sie nicht dieser Umwelt-Typ?“

Die Leibwächter vor der Tür sehen in unsere Richtung. Der Fotograf und ich würden am liebsten mit dem Boden verschmelzen, hören auf zu atmen, hoffen. Auf was? Auf von Bismarck. Und der bleibt ungerührt: „Nein, Sie müssen mich verwechseln.“

Und als habe man einen Schalter umgelegt, entspannt sich Roger Thunam wieder. Er entschuldigt sich, die Schwerkraft scheint nun an ihm zu ziehen, er fällt in den Sessel zurück. „Ihr Weißen seht alle gleich aus“, murmelt er.

Alexander von Bismarck leistet sich ein gequältes Lächeln.

Ich schicke Leute zu Ihrem Hotel“, sagt Thunam. „Die werden Sie in die Berge bringen.“

Stille. Nicken. Der Holzboden knarrt unter dem Gewicht zweier Männer, die aufstehen und sich die Hände schütteln.

Es ist ein weltweites Geschäft mit der Natur, gegen das die kleine EIA seit 1984 ankämpft: Gerade mal neun Leute arbeiten für die Greenpeace-Abspaltung in den USA, ihr Jahresbudget beträgt 900 000 Dollar, es kommt vor allem von Stiftungen wie der Rockefeller Foundation.

Alexander von Bismarck, ein entfernter Verwandter von Otto, dem Eisernen Kanzler, geboren

in München, wegen seiner amerikanischen Mutter US-Bürger, las 1995 in einer Zeitung von der -Arbeit der EIA, die damals den Schmuggel mit Elfenbein dokumentiert hatte. Als er später als Harvard-Biologe in Uganda arbeitete, hatte Bismarck sein Schlüsselerlebnis: Er forschte am Nilbarsch, der in den 1960er Jahren im Viktoriasee ausgesetzt worden war. Der fremde Fisch hatte alle anderen Arten im See dezimiert – und wurde als Delikatesse nach Europa ausgeflogen, während die einheimische Bevölkerung Hunger litt. „Da habe ich begriffen, dass ich nicht einfach als Biologe so tun kann, als sei alles in Ordnung – während ich an Ökosystemen forsche, die im Begriff sind, zerstört zu werden.“ Er flog nach London, begann in der EIA-Filiale als Freiwilliger. Seit 2007 ist er Chef des Washingtoner Büros.

Dem illegalen Holzhandel spürt er auf der ganzen Welt nach. In China, Honduras und Russland hat er ermittelt. In Malaysia ist er einmal enttarnt worden und mit Glück entkommen. Hier ein Beweis, da ein kleiner Erfolg – alles mit dem Ziel, das globale Netz der Waldplünderer zu enttarnen.

Weltweit dürfte jeder fünfte Baumstamm illegal geschlagen sein. In Sibirien und Brasilien sogar 50 Prozent, in Westafrika 70, in manchen Ländern Asiens 90 Prozent. Satellitenbilder zeigen, dass Fäller in Indonesien in 37 von 41 Nationalparks aktiv sind.

Die Gewinnspanne ist enorm. So kostet ein Kubikmeter Merbau-Holz, das fast nur noch in West-Papua vorkommt, in Indonesien 120 Dollar. In China hat sich der Preis nach Verarbeitung zu Bodenbelägen verdoppelt. In den USA kostet dieselbe Menge 2200 Dollar. Rosenholz bringt in Asien sogar bis zu 5000 Dollar pro Kubikmeter. Allein in Madagaskars Schutzgebieten werden seriösen Schätzungen zufolge täglich bis zu 250 Kubikmeter davon geschlagen.

Nachrichten für James Bond, bitte nach dem Signalton.“ Der Besitzer des Telefons, dessen Nummer wir von einem Kontaktmann Thunams haben, will sich nicht gleich zu erkennen geben. Bismarck bittet um Rückruf – denn der Mann soll sich mit Exportgenehmigungen für heikle Waren auskennen.

Wir laufen die Hauptstraße von Antalaha entlang, diesem zu groß geratenen Dorf, das aussieht, als habe jemand die Hütten einfach so über dem öden Land ausgekippt. Unser Hotel, es heißt Palissandre, ist ein Treffpunkt

für Holzhändler, in erster Linie Chinesen. Sie blicken von ihrem Mittagessen auf und grüßen den Kollegen Bolton. Sie wissen nicht, dass der am Abend zuvor in der Hotellobby ein Aufnahmegerät hinter der Wandvertäfelung befestigt hat, um ihre Gespräche aufzunehmen. Wir beobachten, wie sie mit Türmen aus Bauklötzen spielen, die aus Tropenhölzern zusammengesetzt sind, beschriftet mit den Namen der Bäume, damit auch fachfremde Händler erlernen, was Antalaha ihnen für ihr Geld zu bieten hat.

Am Nachmittag ruft James Bond zurück. Er will Steve genannt werden. Als Holzhändler wisse er, wie schwer es sei, gewisse Waren außer Landes zu bekommen. Für die Papiere, raunt er, müsse man bezahlen. Natürlich. Auch da spricht Steve aus Erfahrung. Im Hauptberuf ist er Chef der örtlichen Zollbehörde.

Alexander von Bismarck sieht auf seine schwere Armbanduhr. Er muss im Büro anrufen, Bescheid sagen, dass er die nächsten Tage im Wald verbringt. Wenn seine Kollegen nichts von ihm hören, sollen sie nicht gleich die US-Botschaft einschalten.

Kaum, dass wir unsere Sachen gepackt haben, melden sich Thunams Leute vor der Tür. Sechs Männer mit Macheten sollen uns begleiten. Wir fahren über eine Straße, die diesen Namen nicht verdient, mehr eine Spur im Sand. Zebuherden auf der einen und der Indische Ozean auf der anderen Seite. Es geht Richtung Süden. Richtung Nationalpark.

Der Fahrer hört Chansons, singt mit, feuert an, mitsingen Monsieur, mitsingen, „Oh, Champs-Élysées“, während draußen Pick-ups kreuzen, beladen mit Rosenholz. Er überfährt in kurzer Folge ein Huhn und zwei Schlangen; sie platzen mit dem Knall eines prallen Luftballons.

Dann kippt die Straße in einen Fluss. Keine Brücke. Wir müssen warten, bis zwei Männer mit langen Stöcken eine Fähre angelandet haben. Thunams Männer essen Käseecken. Sie werfen die Alufolie achtlos ins Unterholz.

Alexander von Bismarck, der so kühl geblieben ist, als er im Büro des Mafiabosses fast enttarnt worden wäre – jetzt wird er unruhig. Müll im Busch. Er kann das einfach nicht ertragen. Er geht am Ufer auf und ab. Ringt mit sich. Minutenlang. Soll er das aufheben? Tagelang den Abfall mit sich herumtragen? Was werden Thunams Leute denken? Schließlich ist Thomas C. Bolton ein rücksichtsloser Holzdealer, der Wald ist ihm egal, solange er Geld damit verdienen kann. Er darf nicht aus der Rolle fallen. „Ach was“, sagt er trotzig zu sich selbst. „Ich bin eben ein exzentrischer Typ. Ich achte auf die Landschaft und verkaufe trotzdem Tropenholz.“

Er geht zu der Gruppe von Männern, redet irgendetwas Unbedeutendes, und nimmt dann, ganz beiläufig, den Müll mit.

Auf der anderen Seite des Flusses betreibt ein Militärposten den „letzten Kühlschrank vor dem Wald“, so steht es auf einem Schild. Zwei Soldatendarsteller lehnen in zerlumpten Uniformen an einem Steinhäuschen. Man grüßt sich. Es wäre einfach, an diesem Posten den Holzschmuggel zumindest aus dem Nationalpark zu unterbinden, von Nordosten gibt es keine andere Straße in die Masoala-Berge. Der Kommandant hat sich aber für eine andere Strategie im Umgang mit der Holzmafia entschieden. „Ich arbeite nicht für die Regierung“, sagt er. „Ich bin unabhängig.“ Und betrunken.

Dann lässt er uns durch, hinein in das Gebiet, zu dessen Schutz er abgestellt ist: eine entwaldete Landschaft, durchzogen vom Geruch von Holzfeuern. Hektarweise graue Aschefläche sehen wir, aus der manchmal Baumreste aufragen, an denen Siedler mit Macheten das letzte Holz schlagen, um es unter einem Reistopf zu verfeuern.

So ist das fast überall, wo Tropenwälder ausgebeutet werden: Auf den Pfaden der Holzfäller folgen die Siedler, brennen nieder, was noch steht, um Äcker anzulegen. Die Brandrodung ist weltweit für fast 20 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Und weil Waldböden zusätzlich etwa fünf Mal so viel CO2 speichern wie die auf ihnen wachsenden Pflanzen, geht mit der Rodung auch die Speicherfunktion des Ökosystems verloren. Wälder sind zudem für den Wasserkreislauf unersetzlich. Durch ihre Vernichtung breiten sich Wüsten an eigentlich feuchten Orten aus, etwa an der Elfenbeinküste. Unter anderem durch diese Zerstörung verlieren jedes Jahr bis zu 50 000 Tier- und Pflanzenarten ihren Lebensraum – und sterben aus.

Auf Madagaskar ist die Situation besonders dramatisch. Die Bevölkerung hat sich binnen 50 Jahren auf 21 Millionen Menschen vervierfacht. Das Land hat den höchsten Pro-Kopf-Reisverbrauch der Welt. Und weil Reispflanzen viel Platz brauchen, wird entwaldete Fläche sofort in Beschlag genommen. Dazu treiben Siedler oft Kühe auf die kahl geschlagenen Gebiete, die jeden Regenerationsversuch des Walds wegfressen, so lange, bis der Boden keine Kraft mehr hat. Ein gerodetes Stück Regenwald bleibt noch drei Jahre produktiv, dann ist es ausgelaugt, die Siedler müssen tiefer in den Wald – und können darauf vertrauen, dass die Holzfäller ihnen längst die nächste Anbaufläche frei geschlagen haben.

All das geschieht auf einem der artenreichsten Flecken der Erde. 90 Prozent aller auf Madagaskar vorkommenden Lebewesen sind endemisch, es gibt sie nur dort. Der Masoala-Nationalpark wiederum ist die artenreichste Region der Insel, die Arche Noah auf der Arche Noah. Jeden Tag werden hier etwa zehn Hektar zerstört. Wenn sich das nicht ändert, ist der Regenwald des Nationalparks in 60 Jahren verschwunden.

Aus dem verkohlten Boden ragen die Schilder auf, auf denen die Parkbehörde verspricht, sich um diesen Wald zu kümmern.

Auf einmal türmt sich eine Wand von Wald vor uns auf. Wir haben den Rand der Rodung erreicht.

Wird hier das Holz für Roger Thunam geschlagen?“

Noch nicht“, sagt einer der Männer. Er trägt eine Baseballkappe von der letzten Fußball-EM, „Hopp Schwiiz“ steht darauf unter dem Schweizerkreuz. „Wenn wir zum Camp wollen, müssen wir viel weiter rein.“

Hilft ja nichts“, sagt Bismarck. In Wahrheit brennt er darauf, tief in den Nationalpark vorzudringen, um zu dokumentieren, dass Roger Thunam tatsächlich an Orten schlagen lässt, wo keine Ausnahmegenehmigung dies rechtfertigen kann. Doch der Ermittler will sich seine Euphorie nicht anmerken lassen: Mit missmutiger Miene läuft er los.

50 Kilometer in drei Tagen, das klingt machbar. Es wird aber zur harten Prüfung für Ungeübte, wenn der Weg durchs Dickicht erst mit der Machete in das Grün geschlagen werden muss.

Äste schlagen auf den Körper, Lianen halten die Beine fest, Tiere die nicht zu sehen sind, stechen von allen Seiten zu. Dann das erste Schlammloch. Es geht bis zu den Knien, und es fühlt sich an, als ob jemand die Beine von unten festhält. Meine Schuhe bleiben einfach unten – zum Glück habe ich ein zweites Paar dabei.

Wir besteigen Wasserfälle, überqueren reißende Bäche auf Baumstämmen. Und wenn der Fluss zu breit ist, dann mittendurch, Wasser bis zum Kinn, Rucksack auf dem Kopf. „Das war Teil meines Trainings bei den Marines“, sagt von Bismarck lapidar. Auch Fotograf Smith hat eine Armee-Ausbildung. Ich aber werde in einem Fluss umgerissen und etliche Meter abgetrieben, die Hälfte meiner Ausrüstung treibt in Richtung Indischer Ozean. Unsere Begleiter lachen. Für die Tarnung ist das gar nicht schlecht – schließlich bin ich ein feinsinniger Gitarrenbauer.

Das Wetter wechselt zwischen Extremen. Auf sengende Sonne folgt Regen, so heftig, als wolle er das Hochland frei spülen von Wald und Erde, von Tieren und Menschen. Ohne Regenponcho ist man in Sekunden durchnässt. Mit Poncho auch, vom Schweiß. Und irgendwann ist jede Kraft aufgebraucht. Die Füße sind wund, die Haut ist aufgescheuert.

Hier ist das Bett“, sagt der Führer mit der Machete und zeigt irgendwohin, auf den Boden. „Sieht doch gut aus, oder?“

18 Uhr, es dämmert. 18.10 Uhr, es ist stockdunkel.

Noch zwei Tage bis zum Camp.

Es ist 5 Uhr, es dämmert. Um 5.10 Uhr ist es taghell. Eine Machete wirbelt durch die Luft, zerschneidet das Gestrüpp hinter dem Lager. „War nur ein Vogel“, brummt einer der Führer. Er hatte gehofft, einen Lemuren zu erlegen. „Die sind das Beste.“ Er schnalzt mit der Zunge.

Lemuren, eine mehr als 100 Arten starke Gruppe von Halbaffen, haben nur auf Madagas-

kar überlebt, weil ihnen hier bis vor Kurzem keine Primaten den Lebensraum streitig gemacht haben. Sie zu fangen, sagt der Mann mit der Machete, sei beim Holzfällen quasi eine Selbstverständlichkeit. Man müsse bloß auf einem gerodeten Waldstück zwei Bäume stehen lassen, damit die Tiere sie als Waldbrücke über die Freifläche erkennen. „Dann stellt man sich unten hin und kann sie mit der Machete abwerfen.“ Das Messer wirbelt in seiner Hand. „Ganz leicht“, sagt er.

Bismarck kann es nicht lassen: „Weißt du, dass es Lemuren bald nicht mehr geben wird?“

Es gibt nichts mehr zu sagen“, sagt Thunams Mitarbeiter mürrisch, lässt die Machete von Hand zu Hand wechseln und redet dann doch weiter. Es gebe so viele Lemuren, dass man sie gar nicht alle essen könne. „Das ist gut, denn den Rest kann man verkaufen.“

An wen? „Chinesen“.

Die Asiaten sind nicht nur bei weitem größter Holzkäufer in Madagaskar – sie kaufen ihre Delikatessen gleich dazu.

Von Bismarck ist chinesischen Händlern in vielen Ländern begegnet. China importiert 60 Prozent allen tropischen Holzes. Allein die Lieferungen von Tropenholzprodukten aus China in die USA und die EU sind binnen zehn Jahren um fast 1000 Prozent gestiegen. Ob das Holz aus dubiosen Quellen stammt, ist nach dem Umweg über Asien besonders schwer nachzuweisen.

Noch ein Fluss, noch mehr Schlammlöcher, noch eine Nacht im Dreck – und ein Skorpion in meiner Unterhose. Dann, endlich, hinter einem besonders tiefen Fluss, kommt das Lager in Sicht.

Machetenmänner stehen am Ufer, starren feindselig. Drei Weiße! Argwöhnisches Murmeln. Auf Rat des Dolmetschers halten wir Abstand. „Ich kläre das“, sagt er und verschwindet.

Nach endlosen Minuten kommt er zurück. „Sie hatten Angst, dass du ein Agent bist“, sagt er zu Alexander von Bismarck. „Ein Umweltschützer, der spionieren will.“ Er habe die Männer aber beruhigen können.

Bismarck lässt seinen Blick über das Camp schweifen. Hütten aus Blättern, geschützt mit Planen, auf denen das Logo der staatlichen Hilfsorganisation der USA gedruckt ist: USAID. Am Flussufer dümpeln schwere schwarze Stämme. Wir zählen 80 Stück. Ständig werden Bäume abgeflößt, ständig ziehen Männer neues Holz aus dem Wald an Seilen heran. Das Holz ist bereits geschält, auf den Stämmen sind Markierungen: Jede Holzfällercrew hat ihr Zeichen, an dem der Aufseher die Tagesleistung erkennt.

Bismarck schaltet das GPS-Gerät ein. Wir sind im Nationalpark. Darf er sich darüber freuen? Weil es nun bewiesen ist? Er atmet durch und macht sich an die Arbeit. „Thomas Bolton, hallo“, sagt er, nickt jedem zu, schüttelt alle Hände, plaudert sich durchs Camp. Die Geschichte vom abgetriebenen Gitarrenbauer macht die Runde. Smalltalk: „Meine Güte, was macht ihr denn hier draußen, wenn ihr gerade kein Holz schlagt?“, fragt Bismarck.

Massage“.

Die Masseurin sieht aus, wie man eben aussieht, wenn man den Launen von vierzig Männern ausgeliefert ist. Sie verkauft auch Pillen, die nach Farben sortiert sind. Die Käufer suchen aus, welche sie am schönsten finden, und hoffen, dass sie helfen.

In der Hand hält Bismarck ein Aufnahmegerät, völlig entspannt, als gehöre das zu einem Gespräch im Wald einfach dazu. „Wenn man offensichtlich etwas mitschneidet“, sagt er leise, „erweckt man am wenigsten Verdacht.“

Manchmal geht das Gespräch ins Detail: „400 Dollar für zwei Wochen Arbeit“, sagt ein Arbeiter. Er habe zwei Kinder in der Stadt. Er wisse, dass seine Arbeit illegal sei, und das gefalle ihm nicht. Er wolle es einfach hinter sich bringen. Er erzählt, dass die Holzfäller erst Geld erhielten, wenn die Stämme außer Landes seien. Ein kluger Zug der Holzlobby: Falls die Behörden ein Exportverbot ernsthaft durchsetzen wollen, müssen sich die Beamten der Wut der Arbeiter stellen.

Eigentlich sei Rosenholz ohnehin totes Holz, sagt ein anderer Fäller. Es wachse zwar, aber irgendwie anders, und es werde nicht besonders groß, man könne es ruhig abhacken. „Okay, zugegeben, wenn man das Holz aus dem Park zieht, geht viel kaputt.“

Das lässt sich nicht leugnen: Weil Rosenholz eine größere Dichte hat als Wasser, werden fünf Stämme aus anderem Holz um jeden Stamm gebunden, um den Auftrieb zu erhöhen. Sie werden später weggeworfen.

Aber woher, will „Thomas C. Bolton“ jetzt wissen, kommt das Holz denn nun genau?

Einen weiteren Tagesmarsch entfernt laufen wir durch die zerhackten Stümpfe von Eben- und Rosenholz. Wenn Rosenholz geschlagen wird, spritzt roter Saft aus dem Baum. Der Boden sieht aus, als sei er blutverkrustet.

Der Mann mit der „Hopp Schwiiz“-Mütze hat unsere Wanderung begleitet. Mit Stolz in der Stimme sagt er: „Hier ernten wir für Roger Thunam. Dieses Holz können Sie bei ihm kaufen.“

Dies also ist – endlich! – der Anfangspunkt einer Handelskette, die über den Hafen von Vohémar führt, wo Leute wie „James Bond“ die Zollbehörde leiten; über Zwischenhändler, die gleichgültig oder ahnungslos den Waldplünderern ihre Waren abnehmen, bis nach China. Oder in die USA, wo Gitarrenbauer und Tischler all das offenbar nicht wissen wollen.

Im August 2009 haben Experten des World Wide Fund for Nature (WWF) Rosenholzbestände in Westen und Nordosten Madagaskars untersucht. Sie fanden noch sechs verschiedene Arten – von ehemals 15. Keiner der Bäume hatte einen Durchmesser von mehr als 30 Zentimetern. Für Gitarrengriffe genügt das allemal.

Von Bismarck nickt, starr und versunken, als habe er den Glauben daran verloren, dass die letzten Urwälder gerettet werden können. Nach einer Minute kommt die Zuversicht zurück. Er beginnt zu filmen, läuft zwischen den Stämmen hin und her, fährt mit den Fingern über Schnittkanten. Er tut wieder das, was er unablässig tut: Beweise sammeln, die im Idealfall eine Anklage nach dem Lacey Act ermöglichen.

Er steht zwischen den Stämmen, in der Mitte einer neuen Lichtung. Von links ist das Rascheln des Waldes zu hören, von rechts dröhnt das Rufen der Holzfäller heran. Alexander von Bismarck legt den Kopf nach links und schließt die Augen.

Drei Wochen später, im Winter 2009, stürmen Beamte des US-Innenministeriums eine Fabrik des Gitarrenbauers Gibson in Tennessee und beschlagnahmen Rechner und Akten. Anlass sind unter anderem die Beweise, die Alexander von Bismarck in Madagaskar gesammelt hat. Der Firma wird vorgeworfen, via Theodor Nagel in Hamburg Ebenholz in die USA eingeführt und damit möglicherweise gegen den Lacey Act verstoßen zu haben.

Gibson veröffentlicht eine Pressemitteilung. Man nehme die Zertifizierung von Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern ernst. Und: „Gibson bezieht Holz von Händlern, die sich an die Regeln halten.“

Unerwähnt bleibt, dass das Nachhaltigkeits-Zertifikat der Organisation Rainforest Alliance, mit dem Gibson sich schmückt, sich nur auf spezielle Holzarten bezieht – insbesondere auf Mahagoni aus Südamerika. Für madagassisches Holz hat die Firma kein Zertifikat. Darauf weist die Rainforest Alliance kurz nach der Durchsuchung in einer eigenen Erklärung hin.

Henry Juszkiewicz, Chef der Gitarrenfirma, legt seinen Sitz im Vorstand der Rainforest Alliance vorerst nieder.

Im US-Bundesstaat Connecticut dürfte derweil der Partner von Nagel, der das Holz des Hamburger Händlers in den USA vertreibt, Post von den Justizbehörden bekommen haben. Dann müsste er Informationen über Madagaskar-Lieferungen an die Ermittler übergeben.

Erst nach Sichtung der Unterlagen werden die Beamten -entscheiden, ob ein Prozess angestrengt wird. Beschuldigt werden könnte in diesem Fall nicht nur der Käufer Gibson – sondern laut Lacey Act auch die Firma -Nagel, falls sie nachweislich an einem in den USA illegalen Geschäft beteiligt war.

Die Hamburger Händler sehen das gelassen: „Wir wissen nicht, was der Auslöser für die Vorwürfe gegen die Firma Gibson ist. Unsere Holzimporte aus Madagaskar erfolgten zu jeder Zeit in Übereinstimmung mit der nationalen madagassischen Gesetzgebung“, erklärt Geschäftsführer Dieter Krauth. „Unser Leitmotiv ist ein respektvoller und nachhaltiger Umgang mit Holz. Regelmäßige Prüfungen der Dokumente und des Rundholzbestandes unseres Lieferanten seitens der Forst- und Zollbehörden bestätigen uns die Legalität seines Holzes.“

Die Ermittler der EIA wollen dennoch beweisen, dass Roger Thunam illegales Holz verkauft. Das ist schwierig: Wie schätzt man in einem Land wie Madagaskar die Glaubwürdigkeit von „Sondergenehmigungen“ und Prüfdokumenten ein? Wie kann man beweisen, dass in Madagaskar nicht einmal die Behörden verhindern können, dass Exporteure das „Drehtürprinzip“ einsetzen, um möglicherweise legale Verkäufe von „altem“ Holz in ihrem Lager heimlich durch illegal geschlagene frische Ware ersetzen? Welche Handlung kann wann und wie gerichtsfest als „illegal“ bezeichnet werden?

Immerhin ist eine Analyse der oft widersprüchlichen Dekrete, Verordnungen und Gesetze Madagaskars, die in Zusammenarbeit mit den dortigen Forstbehörden erarbeitet wurde, zu dem Schluss gekommen: So gut wie alle Holzexporte aus dem Land verletzen seit 2006 das geltende Recht.

Und am Ende“, so Alexander von Bismarck, „geht es auch um die Frage, ob ein langjähriger Handelspartner eines Holzhändlers wie Thunam tatsächlich nicht bemerkt haben kann, was wir binnen einer einzigen Woche herausgefunden haben: dass Roger Thunam auch im Nationalpark Holz schlagen lässt. Was ohne jeden Zweifel illegal ist.“

Verhaftet wird wenig später Roger Thunam, den die madagassische Polizei in Antananarivo festnimmt. Er kommt nach zwei Tagen wieder frei.

Alexander von Bismarck sitzt in seinem Washingtoner Büro und wartet. Darauf, dass er seine Erkenntnisse aus Madagaskar vor Gericht präsentieren darf. Gibson könnte die erste Firma sein, die nach dem Lacey Act angeklagt wird. Sie soll nicht die letzte sein. Und so wartet er, kurzfristig, darauf, dass das Telefon klingelt: Ein Informant hat Daten über Raubholz aus Afghanistan versprochen.

Am 31. Dezember 2009 verlängerte der Ministerpräsident von Madagaskar ein Dekret, das den Export von unverarbeitetem Rosen- und Ebenholz erlaubt. Wieder ein Manöver, das den Exporteuren Spielraum für Winkelzüge gibt. Umweltschützer fürchten eine Beschleunigung des Raubbaus. Ob und wie US-Gerichte dieses Gesetz einer international isolierten Putschregierung bei Anklagen nach dem Lacey Act berücksichtigen, bleibt abzuwarten.

Das Telefon klingelt. Von Bismarck schnellt vor, hebt ab. Afghanistan? Nein. Die ehemalige irakische Umweltministerin will ihn treffen, jetzt sofort, wichtige Informationen, er muss los. Alexander von Bismarck nimmt seine Jacke und verlässt den Raum, ohne sich zu verabschieden, in Gedanken längst mit dem Baumbestand zwischen Euphrat und Tigris beschäftigt. Es geht weiter.

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Philipp Kohlhöfer


Philipp Kohlhöfer, 36, zog mit 21 Jahren aus Hessen nach Hamburg um VWL und Jura zu studieren. Hat er dann auch getan- allerdings nur kurz. Politik dann aber bis zum Ende. Anschließend Arbeit beim NDR. Erste Printveröffentlichung im Magazin der Frankfurter Rundschau: Illegales Untergrundboxen. Veröffentlichungen außerdem u.a. in Geo, Neon, Nido, SZ- Magazin, Zeit und Playboy. Dazwischen immer mal wieder längere Aufenthalte in Kalifornien. Er war Kolumnist bei Spiegel online, hat den Relaunch eines Stadtmagazins betreut und im März 2010 sein erstes Buch „Grillsaison“ im Goldmann- Verlag veröffentlicht. Ein ideales Geschenk übrigens. Der Nachfolger ist in Arbeit.
Dokumente
Operation geplünderter Wald

erschienen in:
GEO,
am 01.04.2010

 

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